"Andorra" am 27.1.2014 - Prominenz beim Theaterabend

Prominenz beim Theaterabend

Rings um das Lucas-Cranach-Gymnasium waren kaum noch Parkplätze zu finden, auf dem Schulhof standen schwere dunkle Limousinen. Denn Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff und seine Frau Gabriele wollten sich die Theateraufführung nicht entgehen lassen. Weitere Prominente trudelten ein, wie Wittenbergs Bürgermeister Torsten Zugehör, Coswigs Rathauschefin Doris Berlin, Superintendent Christian Beuchel, der Direktor des Landesschulamtes Torsten Klieme und Sparkassen-Direktor Thomas Arndt. Unterdessen herrschte in der Aula aufgeregtes Treiben. Einige Darsteller sitzen bereits in der Maske, andere gehen still in Gedanken ihren Text durch. Dass es ein besonderer Abend werden wird, ist in der ganzen Schule bereits zu spüren. Vor allem als Personenschützer vom Landeskriminalamt noch eine Requisite in Augenschein nehmen und auf Gefährlichkeit prüfen --- eine Gewehr-Attrappe, die während des Stückes zum Einsatz kommen wird.
Anlässlich des Internationalen Holocaust-Gedenktages hatte die Schul-Theatergruppe das Stück „Andorra“ von Max Frisch neu einstudiert. Es gilt als zeitloses Werk, das sich kritisch mit der NS-Zeit auseinandersetzt. Auf dem Weg zur Aula waren von den Schülern Stolpersteine aus Beton ausgelegt worden. Namen waren zu lesen, auf den Treppenstufen standen Fotos und Kerzen. Die Besucher blickten also in die Gesichter der Juden, welche in Wittenberg ihre ganz persönlichen Spuren hinterlassen haben. Ergreifende Schicksale, die heute noch bewegen und nachdenklich stimmen. Und in dieser besonderen ergreifenden Atmosphäre verlief auch die eineinhalbstündige Vorstellung der Schultheatergruppe.
Als das Stück begann, war es in der prächtig gefüllten Aula sofort mucksmäuschenstill. Die jugendlichen Darsteller schafften es, das Publikum augenblicklich in ihren Bann zu ziehen. Konzentriert und spielfreudig entführten sie ihre Gäste in den fiktiven Staat Andorra. Dort lebt der Lehrer Can, der mit einer Frau aus dem faschistischen Nachbarstaat der „Schwarzen“ ein uneheliches Kind gezeugt hat. In Andorra befürchtet er aber, von seinen Mitbürgern verachtet zu werden, Deshalb erzählt er, dass er ein Judenkind namens Andri aufgenommen habe, um es vor den Antisemiten zu schützen. Doch Andri bleibt ein Außenseiter. Die Andorraner finden ihre Klischees über Juden bestätigt, und der Junge übernimmt schließlich das Bild, das sie sich von ihm machen.
Ein schwerer Stoff. Eine Handlung, die nicht gut enden kann. Eine emotionale Gratwanderung. Aber wie die Schüler diese Herausforderung annahmen, sich in die Figuren hineinversetzten, mit Leidenschaft, Temperament und kühler Distanz spielten, war einfach grandios. In der Aula war es so leise, dass man eine Stecknadel fallen gehört hätte. Jeder konnte selbst spüren, wie schrecklich es sein muss, wenn bornierte, selbstgerechte Menschen andere aufgrund ihrer eigenen Vorurteile ausgrenzen. Als die letzte atemlose Szene gespielt war, setzte stürmischer Applaus ein. Viele Zuschauer fühlten sich überwältigt, diese Leistung hatten sie einem Schülertheater nicht zugetraut.
Ergriffen wirkte auch Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff, als er ans Rednerpult trat. Er dankte der Schule und natürlich den Schülern für diesen beeindruckenden Auftritt. „Das Andorra, das heute zu sehen war, können professionelle Schauspieler nicht besser spielen.“ Er sei tief bewegt, sagte Haseloff. Das Theaterstück sei ein würdiger Abschluss des Holocaust-Gedenktages gewesen. Als ehemaliger Melanchthonschüler, bekannte der Ministerpräsident, habe es immer eine Konkurrenz zum Cranach-Gymnasium gegeben, wer die beste Schule in Wittenberg sei. „Heute Abend kann ich sagen, das Cranach-Gymnasium ist es. Vielen, vielen Dank.“ Lang anhaltender Beifall für Haseloff. Blumen. Händeschütteln.
In die glücklichen Gesichter der gefeierten Hauptdarsteller mischte sich aber auch etwas Wehmut: Ein umfangreiches und intensives Projekt hatte mit einem großen Finale seinen Abschluss gefunden.

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