„Ihr da!“ Einblicke und Ausblicke aus dem und in den Knast

„Ihr da!“  Einblicke und Ausblicke aus dem und in den Knast

Verschlossene, abgehärtete Menschen, Gewalt, Enge - Assoziationen zum Begriff JVA bildeten den Auftakt einer Lesung ungewöhnlicher Art für Schüler und Schülerinnen des Kurses 12c im Fach Deutsch.

Allein der Buchtitel vermittelt bereits das Gefühl der Isolation und steigert gleichzeitig die Erwartungshaltung der Zuhörer. Ein ungewöhnliches Projekt führte zur Sammlung verschiedener Textarten, verfasst von Häftlingen der JVA Burg und Raßnitz. Ludwig Schumann, Initiator der beiden Schreibwerkstätten, stellte sich am 26.02.2015 den Fragen der Jugendlichen und rezitierte einige beeindruckende Auszüge aus dem Band. Die Brisanz des Projektes liegt für die Häftlinge zunächst darin, weder Schwäche noch Gefühle vor den anderen zu zeigen. Vertrauen und Akzeptanz werden in vier Jahren Arbeit zunehmend die Basis kreativer Versuche, Eindrücke wie Ohnmacht, Angst, Erstaunen und Hilflosigkeit zu verarbeiten.

Jens Böhme(16 JahreHaft/Entlassung 2015) schreibt: „Mein erster Tag im Knast:Verhaftung,Verhör,Geständnis, dann Vernehmung… Aus, es ist vorbei das Leben, mein Leben.Das Schöne. Das Hässliche, es ist passe`.“. Bei anderen Häftlingen wird der Knast zur Chance, eine Berufsausbildung mit Abschluss zu erlangen.

BildIhrDa!

Mit Erstaunen nehmen die Jugendlichen die intensive Emotionalität der Texte wahr. Fabian Neumann (12c) fragt nach professioneller Unterstützung bei der Textproduktion, die Schumann aber verneint. Andreas Knabe (12c) überrascht die Offenheit der Häftlinge in der Darstellung ihrer Empfindungen.

Im abschließenden Gespräch resümiert Schumann : „Ich habe ein Stück Demut gelernt.“.Natürlich , gibt er auf die Frage nach dem Vertrauensverhältnis zu den Häftlingen zu, dass er einigen nicht freiwillig den Rücken zuwenden würde. Deutlich mehr überwiegt bei ihm aber der Gedanke, dass Häftlinge in unserer Gesellschaft nach Verbüßung ihrer Strafe eine Chance zur Wiedereingliederung verdienen. Das Projekt Schreibwerkstatt soll diese unterstützen. 

Ich denke, dass diese Lesung viele interessante Ideen für eine Diskussion bieten kann. Auf jeden Fall bleibt das Nachdenken über Menschen, die anders sind.

BildIhrDa2„Ein Mensch - war ein Mensch

Ein Mensch - ist ein Mensch

Ein Mensch - bleibt ein Mensch

So trifft es auch auf in den Augen unserer Gesellschaft abtrünnig gewordene Menschen zu.“ schreibt Andy Rockenschuh(Häftling) in einem Essay mit dem Titel „Integrieren oder Ausstoßen?“

 

H.Mittag

Deutschlehrerin Kurs 12c