Zeitzeugeninterview mit Wolfgang Lauinger

Zeitzeugeninterview mit Wolfgang Lauinger

7.August 2017, Frankfurt /Main

Es gibt Begegnungen, die berühren nachhaltig, sie brennen sich in das Gedächtnis eines Menschen und man erlebt sie nicht allzu oft….

Als ich die kleine Wohnung Wolfgang Lauingers betrat, war er gerade mit dem Verfassen der Einladungen zu seinem 99. Geburtstag beschäftigt. Bis zu diesem Tag war ich ihm noch nicht begegnet, hatte ein Buch über die Familiengeschichte der Lauingers gelesen, recherchiert und war  nun seiner persönlichen Einladung nach Frankfurt gefolgt.

Wolfgang Lauinger wurde 1918 in Zürich geboren als. Sein jüdischer Vater war in Frankfurt/Main ein angesehener Journalist. Die Ehe der Eltern scheiterte und Wolfgang Lauinger wächst bei seinem Vater auf. Dieser verlässt 1939 , nachdem er seiner Existenzgrundlage beraubt, im Zuge des Novemberpogroms verhaftet und in das KZ Buchenwald verbracht worden war, mit seiner zweiten Frau Emilie Deutschland. Für seinen noch minderjährigen Sohn bestimmt er, dass er in der Wehrmacht „dem Vaterland“ dienen solle, dort wird dieser 1941 jedoch als sogenannter „Halbjude“ entlassen, wird sich der Gefahr, die sich durch seine Herkunft ergibt, bewusst und erfährt Diskriminierung und Ausgrenzung. Als Mitglied der Frankfurter Swing-Jugend lebt er ein Leben, das sich grundsätzlich von dem des in der NS-Zeit geforderten Lebensideals unterschied. Für Jugendliche von heute kaum vorstellbar, dass die Liebe zu einer bestimmten Musikrichtung und die Art, sich unangepasst zu kleiden, zur Verfolgung führen konnten.

Wolfgang Lauinger überlebt den Nationalsozialismus und empfindet den 8.Mai 1945 als Befreiung. „Nicht alle sahen das so.“, sagt er. Mancher habe 12 Jahre verinnerlichtes Gedankengut beibehalten. Dies wird für ihn bitter erfahrbar, als er 1950 verhaftet und knapp 7 Monate ohne Anklage inhaftiert wird. Er findet dennoch in das Leben zurück, kommt beruflich voran, engagiert sich in der Bildungsarbeit für Jugendliche, ist ab den 90er Jahren als Zeitzeuge in unzähligen Schulen und anderen Bildungseinrichtungen zu Gast und engagiert sich schließlich für die Rehabilitierung der Männer, die in der Bundesrepublik nach § 175 verurteilt wurden, einem Paragrafen, der bis zur Reform des Strafrechtes im Jahre 1969  in der unter den Nationalsozialisten verschärften Form von 1935 angewendet wurde. Die Lesung „Meinen Hass bekommt ihr nicht“   wird am 15. November  neben anderen bewegenden Schicksalen diesen Teil seiner Biografie näher beleuchten.

Die fünf Stunden Interview vergingen wie im Fluge, sie waren geprägt durch ein von Beginn an offenes, aber auch tiefgründiges Gesprächsklima, durch zahlreiche Denkanstöße und durch eine riesige Portion Herzlichkeit. Das verschmitzte gütige Lächeln möge mir immer als Andenken an diese Begegnung in Erinnerung bleiben.

Birgit Wittek
Koordinatorin SoR-SmC