GeschichtsProjektage 2023 Klasse 11

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Industrialisierung im Westen Wittenbergs

Der Dienstagmorgen hielt für alle Teilnehmer, egal ob zu Fuß oder per Rad, eine "Frischzellenkur" parat. Temperaturen zunächst knapp über der 0°-Grenze waren jedoch für die meisten Teilnehmer kein Hemmnis, diese Exkursion nicht in Angriff zu nehmen. Vorteilhaft war hierbei im Vergleich zum Vorjahr das Ausbleiben von Niederschlägen und die zunehmende Sonneneinstrahlung. Für die einzelnen Standorte waren Referate vorbereitet worden, die den historischen Ort näher erklärten und beleuchteten.

Ausgehend von der Altstadt mit einem Überblick über die Gunstfaktoren und Widerstände für eine Industrialisierung der Stadt im 19. Jahrhundert ging es zum Alten Bahnhof. Dieser war bereits 1841 als Haltepunkt auf der Strecke Berlin über Dessau nach Köthen errichtet worden. Entlang der Hafenbahn entstanden nach der Entfestigung Wittenbergs 1873 zwischen Altstadt und Kleinwittenberg zahlreiche Industriebetriebe, die von der Eisenbahn, der Elbe und der Straßenanbindung profitierten. Das Eisenwerk Joly, die Kant'sche Chokoladenfabrik , Ziegeleien oder die Thompson-Seifenpulverfabrik hatten zudem Zugang zu dem 1875 begonnenen Bau des Elbhafens. Dort, in Kleinwittenberg, befindet sich aktuell eine neuerrichtete Wohnanlage. Parallel dazu bestand der bis heute genutzte Schutzhafen. Von den Speichern in dieser Region ist nur noch der im Vier-Jahres-Plan errichtete Kornspeicher erhalten. An die ehemalige Fischerei und den Schiffbau in Wittenberg erinnern heute nur noch Straßennahmen und das Fischerfest in Kleinwittenberg. Die zahlreichen Chemie- und Großbetriebe siedelten sich hingegen auf den ehemaligen Freiflächen am damaligen Stadtrand an. Bereits vor bzw. um 1900 entstanden hier die Byk-Guldenwerke (Farb- und Gerbstoffe); Oxylin-Werk (Gummiersatz) sowie der größte Betrieb der Stadt, die WASAG (Sprengstoffe). Der heute verbliebene größte Betrieb in der Region, das Stickstoffwerk, wurde erst 1915 im Ersten Weltkrieg errichtet. Diese Industrialisierung der Region, bei der die erste und zweite Phase der Industrialisierung hier zusammenfielen und deshalb der Gründerkrach kaum Spuren hinterließ, veränderte gleichermaßen die bestehenden Siedlungsstrukturen. Die Dörfer entwickelten sich zunehmend zu Industriedörfern und die Landwirtschaft verlor stetig an Bedeutung. Spuren lassen sich heute noch in Piesteritz (Altes Dorf) oder Apollensdorf erkennen. Auf der anderen Seite entstanden zahlreiche neue Siedlungen, wie Apollensdorf-Nord oder die Werkssiedlung für Arbeiter und Angestellte der hier errichteten Betriebe. Besonders profitierte die Stadt dabei in Zeiten der beiden Weltkriege von Strafgefangenen, Fremdarbeitern, Ostarbeitern, Zwangsarbeitern, Kriegsgefangenen oder KZ-Insassen. Zahlreiche Erinnerungsstätten- bzw. Tafeln (Griebo; Apollensdorf-Nord; Kleinwittenberg, Kornhaus) weisen heute noch darauf hin.

Fast klassisch gab es dann zum Abschluss der Exkursion nach fünf Zeitstunden am Torhaus - das Tour aus für die Teilnehmer, die diesmal de facto pannenfrei absolviert werden konnte.

K. Fuchs
Bilder: Fuchs, privat

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