Die Rückkehr der „Pedalritter“

05.10.2015 - Auf den Spuren Cranachs

„Expedition Cranach 500“ endete am Tag der deutschen Einheit
Von K. Fuchs

Am Nationalfeiertag um 13:30 Uhr bogen die Expeditionsteilnehmer des Lucas-Cranach-Gymnasiums mit ihren Rädern in den Cranachhof mit dem gleichnamigen Denkmal des sitzenden Malers ein. Den Empfangsjubel durch Eltern, Freunde und Lehrer hatten sich die Schülerinnen und Schüler sowie ihre begleitenden Lehrkräfte vollauf verdient. Auf der achttägigen Exkursion, die den Spuren der beiden gleichnamigen bedeutendsten deutschen Reformationsmaler folgte, waren bei sonnigem Herbstwetter 400 km per Fahrrad zurückgelegt worden.

In dieser Zeit wurden nicht nur die zahlreichen Höhen des Thüringer Waldes, wie der Masserberg, Inselsberg oder die Schmücke bezwungen. Es galt zudem sich dem Schaffen von Vater und Sohn zu widmen. Bevor deren Werke betrachtet werden konnten, mussten zunächst die heutigen Beherbergungen der Gemälde, Kupferstiche oder Altäre erreicht werden. Dies bedeutete in den Städten Kronach, Coburg und Eisenach das Erklimmen der dort vorhandenen Burgen (Festung Rosenberg, Veste Coburg, Wartburg), um die Ausstellungen zu Gesicht zu bekommen. Andere Sammlungen waren in Schlössern (Gotha, Weimar, Dessau-Roßlau) oder in Museen (Erfurt) untergebracht. Zudem sind viele Werke aus dem Schaffen der beiden Cranachs heute immer noch in Kirchen zu bestaunen (Erfurter Dom; Herder-Kirche in Weimar; Johanniskirche in Dessau-Roßlau; Patronatskirche in Klieken; Nicolai-Kirche in Coswig/Anhalt; Stadtkirche in der Lutherstadt Wittenberg). Neben den Bildern standen parallel Lebensstationen im Blick, wie das vermutete Geburtshaus Lucas Cranach dem Älteren „Zum scharfen Eck“ in Kronach, die Cranachhäuser in Gotha, Weimar und Wittenberg oder die Grabstätte des Vaters von Lucas Cranach dem Jüngeren auf dem Jakobsfriedhof in Weimar.

An all diesen Stätten konnten mehr als 100 Originale der beiden Cranachs in Augenschein genommen werden. In Kronach beeindruckten einmal die Begrüßung durch die stellvertretende Bürgermeisterin und Cranach d.Ä. persönlich, andererseits die verschiedenen Lutherzeichnungen und Gemälde des Vaters, wie „Christus und die Ehebrecherin“ in der Fränkischen Galerie. Auf der Veste in Coburg waren es die zahlreichen Fürstenporträts und das „Ungleiche Liebespaar“, die Zeugnis vom Werk der Cranachs ablegten. Bei diesem Bildnis könnten zudem Vater und Sohn gleichzeitig Hand angelegt haben. Eine eher unscheinbare Zeichnung mit dem Porträt Philipp Melanchthons (ca. 1560) war das erste Bild des Sohnes, Lucas Cranach des Jüngeren, was entdeckt wurde. In der Lutherstube waren dann weitere Werke aus dem Schaffen des Jüngeren zu sehen. Um die nächsten Bilder der Cranachs zu Gesicht zu bekommen, war die Überquerung des Thüringer Waldes erforderlich. Die 140 km entlang des Werratalweges und des Rennsteiges wurden an zwei Tagen bezwungen. Vermutlich steckte den Teilnehmern der Expedition am Dienstag noch die Anstrengung des Radfahrens in den Knochen, dass sie die Porträts der Eltern Martin Luthers auf der Wartburg in Eisenach als die am meisten beeindruckenden Bilder Cranachs empfanden. In der Zwischenzeit war ihnen zudem aufgefallen, dass die Schreibweisen des Vornamens Lucas in den Ausstellungen wiederholt variierten und ebenso mit k geschrieben worden waren. Der lange Ritt nach Erfurt über 90 km hatte noch den Stopp in Gotha im Programm. Angesichts der gesammelten „Bergerfahrungen“ bereitete diese Strecke aber keinem der Teilnehmer Schwierigkeiten. Im Herzoglichem Museum in Gotha stand Cranach d. Ä. „Verdammnis und Erlösung“ (ca. 1529) im Mittelpunkt. Das restaurierte Cranachhaus am Markt hingegen verwies nur auf seine zeitweilige Anwesenheit in der Stadt. In der Landeshauptstadt Erfurt beeindruckte einerseits die Symbiose von Dom und Severi-Kirche. Dabei beherbergt der Dom ein Tafelbild der Heiligen Katharina (ca. 1520). Zum anderen waren es Bilder wie im Anger-Museum das Gemälde „Lasset die Kindlein zu mir kommen“ (ca. 1537), die den Gedanken der Reformation zunehmend verbreiteten. Weimar war dann für die Expeditionsteilnehmer eine doppelte Zäsur. Für Lucas Cranach d. Ä. war es seine letzte Wirkungsstätte. Am Altargemälde in der Stadtkirche haben sehr wahrscheinlich Vater und Sohn gemeinsam gewirkt (vollendet 1555). Zudem umfasst das Schlossmuseum eine fast ausgewogene Anzahl an Gemälden beider Cranachs. Für die Schüler hieß es gleichzeitig Abschied von Thüringen zu nehmen und kurzzeitig vom Sattel in die Bahn umzusteigen. In Dessau-Roßlau ankommend, war bereits die Nähe zur Heimat zu verspüren. Hier waren es bedeutende Zeugnisse des Schaffens Lucas Cranach d. Ä., die die Blicke auf sich zogen. Im Johannbau war es der „Fürstenaltar“ und in der Johanniskirche das „Dessauer Abendmahl“. Ein Zugabe des anwesenden Küsters, der spontan für die Teilnehmer alle Register der Orgel zog und mehrere Stücke intonierte, rundeten den Besuch ab. Neben dem Erkunden des Lebens und Wirkens beider Cranachs gehörten ebenso das Wahrnehmen von Presseterminen und das Sammeln von Erdproben aus den jeweilig aufgesuchten Orten dazu. Vor der Johanniskirche waren die Teilnehmer bereits von einem mdr-Team zu Interviews erwartet worden.

Die Schlussetappe stellte fahrtechnisch keine Herausforderung für die Teilnehmer dar. In der Patronatskirche in Klieken konnte der nach einem Diebstahl zurückgekehrte Altar betrachtet werden. In der Nicolaikirche in Coswig/Anhalt gab es Bildnisse beider Cranachs zu Gesicht. Nach einem kurzen Stopp am Lucas-Cranach-Gymnasium in Piesteritz ging es flugs in die Innenstadt von Wittenberg. Symbolische Abschlussbilder an der Cranach-Schlange und am Cranach-Denkmal beendeten vorläufig die „Expedition Cranach 500“.

Die aus den verschiedenen Cranachstädten und Orten mitgebrachte Erde wurde dann am nächsten Tag, dem Geburtstag Lucas Cranach dem Jüngeren, von den Teilnehmern vor Beginn der Pflanzung einer Cranachschlange über das vorbereitete Beet am Bunkerberg gestreut. Diese Aktion stellte zugleich die offizielle Eröffnung des Cranachjahres im Land Sachsen-Anhalt dar.

Für die Expeditionsteilnehmer gilt es nun wieder in den schulalltag einzutauchen, die gesammelten Eindrücke und Informationen der Tour zu verarbeiten. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dann im weiteren Verlauf des Cranach-Jahres Mitschülern sowie der Öffentlichkeit zu präsentiert werden. Den Auftakt hierzu wird es im Rahmen einer Vernissage zu Cranach-Adaptionen durch Schüler geben, die am 9. Oktober um 16:00 Uhr im Lucas-Cranach-Gymnasium der Öffentlichkeit präsentiert werden.

Kurt FuchsB1
Projektverantwortlicher „Expedition Cranach 500“
Lucas-Cranach-Gymnasium
An der Stiege 6a
06886 Lutherstadt Wittenberg

k.fuchs@lucas-cranach-gymnasium.de

Expedition Cranach 500

CranachCity 2015

Mitteldeutsche Zeitung